Dienstag, 23. Juni 2009

[ɛkspeʀimɛnt]

Heute im Chat:
Bruder Franz: Und was machst du so die ganze Zeit?

Ich: Fang heute mit den Experimenten an!
Bruder: Und welchen...?

Gute Frage, Franz. Zeit für eine genauere Erklärung.

Ich bin hier auf einem Forschungsprojekt, bei dem die mechanischen Eigenschaften eines neuen Cellullose-Werkstoffes erforscht werden. Dieser Werkstoff besteht aus Zellulose-Fasern, die partiell angelöst und dann wieder ausgefällt werden.

Das hört sich kompliziert an, ist aber ganz einfach - man nehme Flax-Fasern (die sehr viel Zellulose enthalten) und forme ein Matte daraus. Diese Matte lege man dann in ein Lösungsmittel, das imstande ist, Zellulose aufzulösen. Dann lässt man das Lösungsmittel lösen, aber nur ein bisserl. Das heißt, die Oberfläche der Zellulose-Stränge wurde angelöst, es liegen aber immer noch intakte Stränge vor. Dann stoppt man das Lösungsmittel (z.B. durch Abkühlung), entfernt es aus der Matte und verpresst dann diese Matte - that's it.

Dazu muss man wissen, dass die Zellulose in den Fasern großteils kristallin vorliegt. Also mit einer genau definierter Struktur. Die Zellulose, die aufgelöst wurde und danach wieder ausgefällt wird, ist hingegen amorph - das heißt, die Moleküle liegen zufällig verteilt vor. Diese amorphe Zellulose umgibt dann die Zellulose-Stränge und wirkt wie eine Art Klebstoff. Man kann also von einem Cellulose Self-Reinforced Composite, einem selbst verstärkten Zellulose Werkstoff sprechen.


Hier eine Grafik aus einer Publikation, die sich mit einem ganz ähnlichen Ansatz beschäftigt.


Quelle: N Soykeabkaew, T Nishino , TPeijs (2009) All-cellulose composites of regenerated cellulose fibres by surface selective dissolution; Composites Part A, 321-328)



Das Ganze bringt jetzt mehrere Vorteile mit sich.
  • Biologische Abbaubarkeit. Dieser Werkstoff besteht aus reiner Zellulose und ist demnach auch problemlos abbaubar
  • Thermische Verwertung. Man kann es bedenkenlos genau so wie Holz verbrennen.
  • Gute Mechanische Eigenschaften. Das Material ist für einen bio-based Werkstoff herausragend fest.
Aber Festigkeit (wieviel hält das Material aus, bevor es reißt) ist nicht die einzige mechanische Eigenschaft, die von Bedeutung ist. So ist es sehr maßgeblich, wie sehr sich das Material mit ansteigender Last dehnt (Elastizitätsmodul) oder wie weit es sich dehnt, bevor es reißt.

Doch dies sind nur die statischen mechanischen Eigenschaften - das heißt man spannt eine Probe in die Testmaschine ein, zieht laaaaaangsam daran an und zeichnet die Spannung (=Belastung) sowie die Längenänderung der Probe auf.

Um einen Werkstoff vollständig mechanisch zu beschreiben, muss man allerdings auch die dynamisch mechanischen Eigenschaften bestimmen. Das heißt, es reicht nicht einfach laaaangsam daran anziehen. In der Wirklichkeit kommt es ja auch immer zu sehr un-statischen Belastungen, wie z.B. Vibrationen. Um diese dynamischen mechanischen Eigenschaften zu beschreiben, gibt es nun wieder andere Kennwerte. Wie z.B. den dynamischen E-Modul, oder den Loss-Modulus (für Interessierte gibts hier eine sehr gute Einführung in die Thematik)

Und jetzt sind wir endlich bei dem angekommen, was ich hier mache. Meine Aufgabe ist es, von dem Zellulose-Werkstoff die dynamisch mechanischen Eigenschaften zu bestimmen. Und wie ich das mache, beschreib ich im kommenden Post (da gibt's auch mehr Fotos :)

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